
Die Nummer 18 konnte nicht identifiziert werden
Die Sprüche sitzen: „Ich hab gehört, du kannst mich gut riechen“, will meine Freundin Tanja sagen, wenn ein ein Typ ihr T-Shirt ausgewählt hat.
Ok, das bietet sich an und liegt sehr nahe, genauso wie „Liebe geht durch die Nase“, „Nase voll“, der Spruch vom „stinknormalen Date“, „immer der Nase nach“ oder „der Schweiß war nicht heiß“ – all das übrigens verzweifelte Versuche der Journalisten-Kollegen, Deutschlands „erste Pheromon-Party“ irgendwie kreativ aufzuarbeiten. Ich mache dann mal mit.
Tanja, 27 und Studentin, hat sich brav an die Regeln dieses Trends aus, na klar, Amerika gehalten: Drei Nächte lang schlief sie im selben T-Shirt, tagsüber kam es luftdicht verpackt ins Tiefkühlfach, die Frischhaltetüte samt T-Shirt hat sie nun, an diesem Freitagabend, dabei. In einer Miet-Location in Berlin-Friedrichshain findet das groß beworbene Event statt, zu einer eher ungewöhnlichen Party-Zeit um 20 Uhr – und um 20.15 Uhr sind auch schon alle da. „Alle“ bedeutet in diesem Fall: Kollegen. Aus meinem Haus gleich drei, von jeder Berliner Zeitung sowieso, auch das Fernsehen wurde von den fleißigen und sehr freundlichen PR-Mitarbeiterinnen der veranstaltenden Datingseite Shop A Man informiert.
Wir alle wollen darüber berichten, ob es stimmt, dass die Geruchslockstoffe, die der Mensch absondert, unsere Partnerwahl bestimmen oder zumindest beeinflussen. Braucht man überhaupt diesen ersten Blick für die Liebe auf den ersten Blick, läuft das nicht alles in Wahrheit über unsere Ur-Instinkte? So, dass man sich auf den ersten Schnuff verlieben kann?
Wir wollen das testen. Eigentlich. Denn leider steht das Konzept der Party, die genau das enthüllen soll, dem selbst entgegen:
Hat man an einem der mitgebrachten und auf einem Tisch ausgebreiteten Shirts gerochen und etwas Ansprechendes erschnüffelt, soll man sich mit dem nummerierten Shirt fotografieren lassen. Entdeckt der Besitzer des Shirts seine Nummer auf der Leinwand, soll er sich bei dem fotografierten Menschen melden. Doch das funktioniert ja wieder nur über Attraktivität auf den ersten Foto-Blick. „Wenn ich einen hübschen Typen auf den Fotos entdecke, dann melde ich mich einfach – egal, welche Nummer er hochhält“, plant Tanja.
Tanja ist als „echter Mensch“ gekommen und damit begehrtes Interview-Material. Großzügig trete ich meine Exklusiv-Rechte ab (war sie doch eigentlich mein privat mitgebrachter „echter Mensch“ für den Selbstversuch, den ich dokumentieren wollte) und so gibt sie diversen Radio-Sendern, N24, Pro Sieben, Sat1, dem Tagesspiegel und Welt Online Interviews, und erzählt, was sie denn von dieser Party hält: „Dass man hier wirklich eine große Liebe finden kann, glaube ich nicht“, antwortet sie auf Fragen wie „Mit welch großen Hoffnungen bist du hierher gekommen?“, „Das ist eben einfach nur lustig“, auf „Was kann man hier erwarten?“ und sagt immer wieder Sätze wie „Es riecht etwas schweißig“.
Genau, entweder stinken die T-Shirts nach Tierkäfig oder riechen fabrikneu, anziehend ist allein Nummer 18, aber wohl nur, weil dieses Shirt nach Deo duftet. Dennoch lassen wir uns alle täuschen, die Instinkte wohl jämmerlich verkümmert und auf künstliche Industrie-Wohlgerüche konditioniert.
Tanja und ein weiterer, echter Mädchen-Mensch lassen sich nun mit Shirt Nummer 18 fotografieren. Die fotografierten Menschen werden von den Fotografen abfotografiert, viel mehr passiert nicht mehr. Nummer 18 meldet sich nicht. In den wenigen Fällen (ich glaube, es waren zwei), in denen jemand einen anderen aufgrund der Foto-T-Shirt-Wand anspricht, wird dies sogleich von einem Kamerateam begleitet. Zartes Anbandeln sieht anders aus. (Sowieso gibt es das Gerücht, ein Sender hätte sich zwei Models mitgebracht, um ein solches Anbandeln zu inszenieren, aber das war eigentlich auch schon egal)
Tanja und ich gehen nach gut zwei Stunden nach Hause. Nette Gespräche gab es, zwischen Journalisten, auch mit den wenigen echten Menschen, ja, das schon. Ein Gesprächsthema hatte man auch, das ist ja schon mehr, als man von manchem Aufreisser-Talk erwarten kann.
Doch irgendwann hatten wir eben die Nase voll, es war, könnte man sagen, ein stinknormaler Abend, nicht unbedingt stinklangweilig, wenn man immer der Nase nach nach netten Leuten suchte, die man gut riechen konnte.